Waldbrände: Katastrophe oder Notwendigkeit im Ökosystem?

von Jens Hepper

Sind Waldbrände wirklich immer eine Katastrophe für das Ökosystem Wald? Warum in Deutschland keine Verhältnisse wie in Kalifornien drohen und Waldbrände auf der Welt ungleich verteilt sind.

Waldbrände traten auf der Erde immer wieder auf. Auch ohne menschliches Einwirken würde es sie geben. Manche Pflanzenwelt ist hierfür wie „gemacht“, andere lässt kein Feuer zu. Zu den natürlichen Waldbrandursachen gehören trockene Bodenvegetation und Streuauflagen in Kombination mit Blitzeinschlägen oder Vulkanausbrüchen. Sie können aus der Pflanzenschicht ein loderndes Inferno zu machen. In Mitteleuropa werden jedoch fast alle Waldbrände von Menschen verursacht. Dagegen gibt es anderswo Wälder, in denen Waldbrände natürliche Selektions- und Evolutionsprozesse bestimmen.

 Riesenmammutbaum (Sequoiadendron giganteum)

Der General Sherman Tree, der voluminöste Baum der Erde ist ein Riesenmammutbaum (Foto: Simon Dannhauer / Adobe Stock)

Waldbrände in den Wäldern der Welt

Waldbrände fügen dem Boden Dünger zu, legen den Mineralboden frei und verbessern die Konkurrenzsituation von konkurrenzschwachen Pflanzen, Tieren und Pilzen. Grundsätzlich benötigen bestimmte Organismen Waldbrände für eine optimale Entwicklung oder Verjüngung. Manche Pflanzen profitieren auf andere Weise von Feuern, ohne von ihnen abhängig zu sein. Diese Eigenschaft von Organismen nennt man „Pyrophilie“. Beispiele hierfür sind Arten wie die Murray-Kiefer (Pinus contorta), der Riesenmammutbaum (Sequoiadendron giganteum) und der Küstenmammutbaum (Sequoia sempervirens) sowie die Venus-Fliegenfalle (Dionaea muscipula), eine Bodenpflanze aus den USA. In Australien gehören zum Beispiel Eukalyptuswälder zum natürlichen Feuerklimax.

Wälder in Europa: Waldbrände haben „keine Aufgabe“

In mitteleuropäischen Wäldern des Tief- und Hügellandes finden wir zwar Baumarten, die durch Waldbrände entstehenden Freiflächen schnell besiedeln können. Das sind etwa Pappel-, Erlen- oder Birkenarten sowie die Wald-Kiefer (Pinus sylvestris). Diese Baumarten sind jedoch typischerweise sogenannte Mineralbodenkeimer, die Waldbrände für ihre Entwicklung nicht benötigen. Hier gehören Waldbrände nicht in die Waldökosysteme und haben für deren natürliche Entwicklung keine Bedeutung. In Südeuropa gibt es eine Bewirtschaftung von Pflanzenbeständen mit Feuer vor allem in der Macchie, einer mediterranen Vegetationsform. Diese Vegetationsform entsteht erst durch eine intensive Nutzung der Natur, durch Beweidung und weitere menschliche Einflüsse (Mesléard/Lepart, 1991: 155 – 164). Deshalb kann auch hier Waldbrand nicht als ökosystemare Notwendigkeit verstanden werden.

Kanarische Kiefer auf La Palma (Foto: Michael Müller)

In Skandinavien und Nordrussland gibt es die einzigen europäischen borealen Nadelwälder, in denen natürliche Waldbrände eine ökosystemare Bedeutung haben. Sehr kleinflächig gibt es ähnliche Effekte in den Hochgebirgslagen Mitteleuropas (z. B. Alpen und Karpaten). Ein weiterer Spezialfall ist die Kanarische Kiefer (Pinus canariensis), die insbesondere auf der Insel La Palma (geologisch zu Afrika, politisch aber zur EU zugehörig) vorkommt. Diese Kiefernart unterlag durch die dort häufig vorkommenden Waldbrände, ausgelöst durch Vulkanausbrüche, einer extremen evolutionären Auslese. Die Kanarische Kiefer kann selbst nach intensiven Vollfeuern aus dem Baumstamm und den Ästen neu austreiben.

Kanarische Kiefer auf La Palma (Foto: Michael Müller)

Waldbrandgefährdung in Deutschland

Ohne menschliches Eingreifen wäre Deutschland vor allem von Buchenwäldern und Eichenmischwäldern geprägt, welche geringe, schlecht brennbare Bodenvegetation und Streuauflagen aufweisen. Durch Raubbau, ungeregelte Holznutzung und Waldweide sowie der Umwandlung der Wälder in Acker- und Bauland wurde der Wald in Deutschland auf weniger als 33 % seiner ursprünglichen Fläche zurückgedrängt. Im Zuge der historischen Wiederbewaldungen Anfang des 19. Jahrhunderts und nach dem 2. Weltkrieg, legten die Menschen aus vielen Gründen vorrangig Nadelwälder an. In den Gebirgen dominierten Gemeine Fichte (Picea abies) und im Tiefland Wald-Kiefern (Pinus sylvestris). Insbesondere die unnatürlichen Kiefernwälder sind wegen der dort vorkommenden unnatürlichen Bodenvegetation und Streuauflagen stark von Waldbränden gefährdet. Auch wenn die Anzahl der Waldbrände in Deutschland rückläufig sind, zeigen die Statistiken der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) eine steigende Schadfläche durch Waldbrände. Im Jahr 2019 waren bundesweit 2.711 Hektar Wald verbrannt, was laut BLE die zweitgrößte Waldbrandfläche seit den Erhebungen im Jahr 1977 darstellt (BLE 2020). Im Zuge des seit den 1980er Jahren laufenden Waldumbaus konnte die Waldbrandgefährdung durch unnatürliche Kiefernwälder bereits entschärft werden. Durch vorsätzliche Brandstiftung, fahrlässigem Umgang mit Feuer sowie brandauslösenden Technologien und Unfällen gibt es trotzdem immer wieder Waldbrände in Deutschland.

Fazit

Letztlich kann festgehalten werden, mitteleuropäische Wälder des Tief- und Hügellandes von Natur aus nicht an regelmäßige Waldbrände angepasst sind und dementsprechend Waldbrände keine „Aufgabe“ in diesen Waldökosystemen haben. Brände zerstören und homogenisieren Wald. Die mediale Debatte um Waldbrände in der Welt, zum Beispiel in Kalifornien und Australien, fokussiert oft die drohende und zunehmende Gefahr von Waldbränden ähnlichen Ausmaßes in Deutschland. Dabei vergleicht diese These unterschiedliche Grundbedingungen für Waldbrände in etwa Kalifornien oder Australien mit deutschen oder mitteleuropäischen Wäldern. Für die Zukunft ist es gut möglich, dass der Klimawandel trockenere Sommer bringt – auch in Deutschland. Dennoch bedeutet das keinesfalls, dass uns ähnlich große oder häufige Waldbrände wie in Kalifornien drohen. In den zugehörigen Unterrichtsmaterialien werden die Veränderungen von Wäldern in Deutschland und Mitteleuropa in der Vergangenheit und die künftigen Aussichten für Waldvegetation und die Waldbrandgefahr thematisiert. Unstrittig bleibt aber, dass der häufigste Auslöser für Waldbrände sowohl in Deutschland als auch in anderen Teilen der Erde der Mensch selbst ist.

Quellen

Leonard, J./West, A. G./ Ojeda, F. (2018): Differences in germination response to smoke and temperature cues in pyrophyte. International Journal of Wildland Fire 27(8) DOI: 10.1071/WF17161

Mesléard, F. / Lepart, J. (1991): Germination and Seedling Dynamics of Arbutus unedo and Erica arborea on Corsica. Journal of Vegetation Science, Vol. 2, No. 2 (Apr., 1991): 155-164. DOI: 10.2307/3235947

Müller, M. (2019): Waldbrände in Deutschland, Teil 1. AFZ-Der Wald 18/2019. S. 27-31. Müller, M. (2020): Waldbrände in Deutschland, Teil 2. AFZ-Der Wald 01/2020. S. 29-33.

Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (2020): Waldbrandstatistik 2019: 2.711 Hektar verbrannt. Pressemitteilung des BLE vom 17.06.2020. Online unter: https://www.ble.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/200617_Waldbrandstatistik.html [letzter Zugriff: 02.11.2020].

Weiterführende Links

Fortlaufende Waldbrandstatistik der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.

Waldbrandstabsstelle in den Landesforsten Mecklenburg-Vorpommern. Hier finden sich Karten und Hinweise zur Waldbrandprävention.

Weiterführende wissenschaftliche Literatur