Im Interview | Waldbrand Klima Resilienz

Das Projekt „Waldbrand Klima Resilienz“ (kurz WKR) will Wissenslücken in der Waldbrandbekämpfung schließen, Handlungsempfehlungen entwickeln und auch internationale Erfahrungen zusammenbringen. Wir haben Elke Urbansky und Alexander Held vom Projekt WKR gefragt, wie gut Deutschland auf Waldbrände vorbereitet ist, welche neuen Ansätze zur Waldbrandprävention die Forschung bereithält und wie wir von Expertinnen und Experten anderer Länder lernen können, die sich noch viel besser mit Waldbrandereignissen auskennen.

Brennpunkt Wald: Der Sommer 2022 war Rekordjahr bei Waldbränden. Müssen wir uns darauf einstellen, dass Deutschland nun auch ein „Waldbrandland“ wird?
Alexander Held: Wir werden kein Waldbrandland sein wie Portugal, Spanien oder Griechenland. Aber der Klimawandel und unsere Messwerte zeigen deutlich: Wir bekommen häufiger sehr warme und sehr trockene Wetterlagen im Sommer. Es wird also häufiger brennen und uns fehlt noch Erfahrung, wie wir damit umgehen müssen. Heute wird noch jeder Brand als Katastrophe wahrgenommen. Waldbrandland werden wir sollten wir vor allen in folgenden Sinn werden: Wir flippen dann nicht jedes Mal aus, wenn ein Feuer entsteht, sondern wir reagieren aufgeklärter und gelassener.

Wie gut sind wir heute in Deutschland aufgestellt? Welche Schulnote würden sie der Waldbrandbekämpfung und der Waldbrandprävention geben?
Alexander Held: Im Schnitt würde ich uns die Note 4 geben – oder sogar noch schlechter, 4–. Wir haben zu wenig Erfahrung und unsere Entscheidungen beruhen auf dieser mangelnden Erfahrung. Anders gesagt: Wenn in unserem Werkzeugkasten nur ein Hammer ist, dann sind für uns alle Probleme „Nägel“, denen man mit einem „Hammer“ gut beikommen kann. Unser „Hammer“ ist das Feuerwehrauto und Wasser. Und wenn man die Nägel nicht einschlagen kann und die Probleme bleiben, heißt es: „Dann brauchen wir einen größeren Hammer dafür“. Also größere Feuerwehrautos und mehr Wasser oder gleich ein Löschflugzeug. Wir sind ein technikaffines Land, und daher denken wir gerne an technische Lösungen wie Überwachungskameras oder Drohen oder Löschroboter. Dabei erfinden die Entwickler Geräte zu Phänomenen, die sie gar nicht kennen, weil uns die Erfahrung fehlt.

Was müsste man denn ändern, um besser aufgestellt zu sein und eine bessere Note hinzukriegen?
Alexander Held: Koordination und Kommunikation sind die Zauberwörter! Man müsste erst einmal aufklären, dass es viel, viel mehr Werkzeuge gibt und viele weitere Stellschrauben, um das Problem Waldbrandschutz in den Griff zu kriegen. Und dann müsste man alle Beteiligten dazu kriegen, in die gleiche Richtung zu gehen. Also Feuerwehr, Förster, Tourismus, Pädagogik, Räumliche und Siedlungsplanung sollten Hand in Hand arbeiten – alle sind gleich wichtig!

Was müssten wir konkret verbessern, lernen oder erforschen, um besser zu werden?
Alexander Held: Wir müssen gar nicht mal so viel forschen. Wir könnten uns gut daran orientieren, was andere Länder machen. Dann hätten wir einen Werkzeugkasten, der um viele Werkzeuge reicher und kompletter ist. Eigentlich müsste man vor allem lernen, dieses vorhandene Wissen zum Feuermanagement auch umzusetzen und richtig anzuwenden.

Wo gibt es Ihrer Meinung nach dennoch Forschungslücken?
Alexander Held: Wir reden viel um das Feuer herum, zum Beispiel über Überwachungskameras, Satellitentechnik oder Drohnen. Aber wir reden viel zu wenig über das Feuer selbst, also das ganz einfache Feuerdreieck: Brennmaterial, Sauerstoff und Wärme. Wie kommt Feuer zustande? Wie schnell und wohin breitet es sich aus? Wie heiß wird es? Welchen Schaden richtet es an? Welche Rolle spielen Landschaft, Wind und Wetter und das Brennmaterial? Das ist die Voraussetzung für alles Weitere. Wenn ich erst einmal verstanden habe, wie das alles zusammenwirkt, kann ich Maßnahmen mit allen Verantwortlichen gemeinsam planen. Das geht die Feuerbekämpfung an, den Waldumbau oder ganz simpel den Einsatz von Schafherden, die gezielt Brennmaterial abfressen.

Welche Bedeutung hat der Begriff Resilienz in diesem Zusammenhang?
Alexander Held: Resilienz bedeutet nicht, dass wir zu einem Punkt kommen werden, an dem der Wald nie wieder brennen wird. Das wird nicht passieren. Wenn das Wetter lange genug trocken ist, dann wird es auch brennen. Aber wir können dafür sorgen, dass der Wald weniger brennbar ist, normale Feuer nicht zu Katastrophenfeuern werden und dass sich der Wald nach einem Feuer aus eigener Kraft wieder erholen kann.

Welche Bedeutung kommt der Öffentlichkeitsarbeit bei Waldbrandprävention zu?
Alexander Held: Die Öffentlichkeitsarbeit ist enorm wichtig. Denn es sind die aufgeklärten Bürger und Journalisten, die Druck auf Politiker machen. Aufgeklärte Bürger wissen, dass Waldbrandmanagement umfassender ist, als einen Hubschrauber zu kaufen. Und sie werden entsprechend umfassende und nachhaltige Maßnahmen einfordern: in journalistischen und sozialen Medien, auf lokaler Ebene oder gegenüber politisch Verantwortlichen. Das schafft die Forschung nicht alleine.

Ihre Wunschliste für die Zukunft: Wohin sollte sich die Forschung bewegen?
Alexander Held: Forschung hat bei uns ein großes Dilemma, und das ist die Kurzfristigkeit. Förderprojekte dauern meist drei Jahre, dann ist Schluss. Dann können alle Experten sich was Neues suchen und von vorne anfangen. Doch der Wald und das Feuer sind so komplex – das kann man in drei Jahren nicht abarbeiten. Waldbrandforschung und die Umsetzung des Wissens für Feuerwehr, Förster und Politik müsste dauerhaft finanziert werden, damit Leute dauerhaft daran arbeiten können. Etwa wie beim Wolf, hier gibt es feste Wolfbeauftragte und Wolfsbüros. Hier ist allen klar: Das Thema Wolf ist in drei Jahren nicht gelöst. Nur beim Feuer tun wir so, als wäre das in drei Jahren abgearbeitet.
Und noch etwas, das mir wichtig ist: Die Forschung sollte wissenschaftlich frei arbeiten können, damit man auf keine Behörden oder politische Befindlichkeiten Rücksicht nehmen muss. Denn jede Behörde oder Institution hat immer auch eigene Ziele und Methoden. Sie will gerne eigene Schwerpunkte setzen, die man vielleicht aus wissenschaftlicher Sicht nicht so in den Vordergrund stellen würde.

Welche Rolle sollte die Schule beim Thema Waldbrandprävention spielen?
Elke Urbansky: Wichtig ist vor allem, Kinder und Jugendliche für Wald- und Brandschutz zu sensibilisieren, und zwar vor Ort. Also wirklich einmal raus gehen, den Wald kennenlernen, unter Aufsicht von Waldpädagogen Feuer machen – und wieder löschen! Oder lernen, wie man sich bei einem Waldbrand verhält. Zum Beispiel, dass man besser bergab zu flüchtet, weil Feuer sich bergab viel langsamer ausbreitet. In den Städten ist man ja der Natur so entfremdet, dass man dieses Wissen nicht aus dem unmittelbaren Umfeld erhält und keinen unmittelbaren Bezug zum Wald hat. Und ich denke, man sollte möglichst früh damit anfangen, bereits im Grundschulalter. Denn junge Menschen, die Bescheid wissen und den Wald lieben, sind später diejenigen, die sich für einen gesunden Wald engagieren.

Alexander Held
Der Feuerökologe ist Experte für Feuerprävention und -Management, und hat viel Erfahrung im Ausland, vor allem Amerika und Südafrika gesammelt. Er ist Mitbegründer und Projektleiter von „Waldbrand Klima Resilienz“.

Elke Urbansky
Die Försterin leitet das Waldpädagogikzentrum Ostheide in Niedersachsen mit Veranstaltungen für Kinder und Schulen. Die Wälder, in den Elke Urbansky arbeitet, gehören zu den am meisten von Waldbrand gefährdeten Gebieten in Deutschland.


Zum Schluss ein Video-Tipp
Wer mehr über die Entstehung und Dynamiken von Waldbränden lernen will, die oder der sollte sich unbedingt den auführlichen und differenzierten Vortrag von Dr. Michael Herrmann (Feuerwehrmann und Waldbrandexperte) ansehen.

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